Die Engel
Die Köpfe der Ministerinnen und Minister rauchten in den nächsten Tagen
und Nächten. Stall, Hirten, Maria und Josef - das kam auch ihnen bekannt
vor. Davon hatten sie schon gehört! Aber irgendwas fehlte noch! Was
könnte das nur sein?
Die Lebensmittelministerin schlug folgende Geschichte vor: „Ein Hirte
brachte einen großen Korb mit Brot, Wein, Spaghetti mit Tomatensoße,
Pizza und frischem Obst, Honigkuchen, Eiscreme und leckerem Käse!“ „Das
ist zwar eine leckere Geschichte, aber nicht die Weihnachtsgeschichte!“,
meinten die anderen Minister und bekamen einen Bärenhunger.
Die Bildungsministerin versuchte es damit: „Im Stall fing nun Josef an,
Ochs und Esel das Lesen und Schreiben beizubringen. Seit dieser Zeit
sind die beiden die klügsten Tiere der Welt. Alle anderen Ministerinnen
und Minister schüttelten den Kopf: „Das kann doch gar nicht stimmen.
Kein Mensch sagt, dass Ochs und Esel besonders intelligente Tiere sind.“
Der Finanzminister dachte sich einen besonderen Schluss aus: „Dort, im
Stall bei Ochs und Esel, fanden Maria und Josef unter dem Stroh eine
große Schatzkiste. Die war bis oben hin gefüllt mit Gold und
Edelsteinen. So waren die beiden reich und glücklich bis an ihr
Lebensende.“ So etwas hatte noch keiner gehört. Auch diese Geschichte
wurde verworfen.
In der Zwischenzeit hatte die Köchin alles für das Weihnachtsfest
vorbereitet: Die Weihnachtstorte war verziert, die Weihnachtsplätzchen
lagen in den königlichen Dosen, der Weihnachts-Schafs-Käse-Kuchen
duftete, und sie war wieder glücklich und verträglich. Sie schimpfte
auch nicht mehr mit Maria und Josef, sondern war froh, dass die beiden
ihr so fleißig geholfen hatten. Jetzt nahm sie die zwei in die Arme und
lobte sie: „Ach, ihr seid ja meine zwei Engel!“
König Adventus saß auf seinem Thron und grübelte über das Ende der
Geschichte. Als er aber das Wort „Engel“ hörte, zuckte er zusammen.
Engel!!!. Na klar - in der Weihnachtsgeschichte kommen Engel vor! Der
König lief so schnell er konnte zu den Ministerinnen und Ministern:
Schon unterwegs schrie er Ihnen zu: „ÄÄÄngel! ÄÄÄngäääl! Völlig außer
Atem erklärte er seinen Ministerinnen und Ministern, was ihm wieder
eingefallen war: „Auf den Feldern da lagern die Hirten. Sie halten
Nachtwache bei ihren Schafen. Plötzlich kommt ein Engel und bringt ihnen
eine frohe Botschaft. Dann ist eine große Schar von Engeln am Himmel zu
sehen. Sie singen voller Freude: Gloria. Ehre sei Gott. Und die Hirten
gehen zu Maria und Josef in den Stall und erzählen, was der Engel ihnen
gesagt hat.
„Ja, das ist die Weihnachtsgeschichte!“, rief der oberste Minister
erleichtert, und alle Ministerinnen und Minister nickten. Jetzt konnte
es Weihnachten werden. Endlich hatten sie die verlorene
Weihnachtsgeschichte gefunden. Und alle freuten sich schon auf das
leckere Weihnachtsmahl.
Doch da wurde der König wieder ganz ernst: „Aber was war denn die
Botschaft des Engels?! Was hat er gesagt? Was sollten die Hirten im
Stall bei Maria und Josef tun? Irgendwie fehlt noch etwas - und zwar
etwas ganz Wichtiges!“
Weihnachten: Das Kind
In der Nacht vor Weihnachten konnte niemand gut schlafen im königlichen
Schloss. Das Tüpfelchen auf dem „i“, das fehlte noch: Die Botschaft des
Engels.
Der König lief schon vor dem Frühstück aufgeregt im Schlosshof hin und
her. Sie waren so kurz vor ihrem Ziel. Und heute ist Weihnachten. „Wenn
wir die richtige Weihnachtsgeschichte nicht komplett finden,“ so dachte
er sich, „dann wird Weihnachten ausfallen - so lange bis die Geschichte
komplett ist! Basta!“
In diesem Moment kam eine junge Familie in das königliche Schloss: Eine
Frau und ein Mann mit einem kleinen Baby im Arm. „Wir sind auf der
Reise“, sagten sie. „Wir müssen noch weit laufen. Können wir heute hier
bleiben? Vielleicht habt Ihr auch ein wenig zu essen für uns. Unsere
Vorräte sind verbraucht, und wir haben kein Geld mehr.“ „Ach, schert
euch weg!“, rief da der König voller Zorn! „Ich habe Wichtigeres zu tun,
als mich um dahergelaufene Bettler zu kümmern. Ich suche die
Weihnachtsgeschichte! Aus meinen Augen!“ Die junge Familie kehrte um und
ging durch das Tor hinaus.
König Adventus lief durch das ganze Schloss, so, als wäre irgendwo der
fehlende Schluss der Geschichte versteckt. Er suchte in der Schatzkammer
und sah die bunten Edelsteine, die glitzernden Goldketten und Truhen
voller wertvoller Münzen. All das gehörte nicht in die
Weihnachtsgeschichte. In der Küche fand er allerlei Leckereien und es
duftete herrlich. Aber auch das war nicht, was er suchte. Hoch oben im
Turm schaute er weit über das Land. Er sah Dörfer, Wiesen und Wälder -
und nichts fiel ihm ein, was zu Maria und Josef passte.
Der Nachmittag verging, und langsam wurde es dunkel. Der König fand
keine Ruhe. Schließlich lief er noch einmal um das ganze Schloss herum.
Da hörte er ein eigenartiges Geräusch. So was hatte er noch nie gehört.
Es gluckste und quietschte. Aus dem alten Gänsestall hinter der Scheune,
da kam es her. Der steht schon ein paar Jahre leer. Hatte sich ein
Wiesel oder ein Marder dort ein Nest gebaut? War es vielleicht ein Tier,
das er nicht kannte? Oder lachte da jemand – mit einem hellen, lustigen
und freundlichem Ton? Seine Neugierde ließ ihn nicht los. Adventus
musste sofort nachschauen. Er schlich sich vorsichtig an. Der Eingang
zum Stall war fast so niedrig wie eine Katzentür. Um da hineinzukommen,
musste er sich bücken, den Kopf neigen und sich ganz klein machen. Und
weil Adventus vergessen hatte, dass er seine Krone trug, fiel sie ihm
vom Kopf und kullerte auf dem Boden neben den Stall. Aber das war ihm
jetzt völlig egal. Die Neugierde war größer als seine Eitelkeit. Er
öffnete die kleine Tür und krabbelte auf allen Vieren in den alten
Stall.
Nachdem sich seine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, sah er in der
Ecke den jungen Mann und seine Frau mit dem Baby auf dem Arm. Die Köchin
hatte die drei durch einen Hintereingang ins Schloss zurückgeholt und
ihnen zu essen gegeben. Dann hatte sie die junge Familie hier im Stall
versteckt. Zuerst wollte der König zornig aufschreien: „Was sucht ihr
hier! Habe ich euch nicht weggeschickt!?“ Aber dann fing das Kind wieder
an zu lachen und schaute ihn freundlich an.
Nun fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die ganze
Weihnachtsgeschichte bekam plötzlich einen Sinn: Das Kind, das war es,
was noch fehlte. Ihm wurde klar: Wer die Weihnachtsgeschichte verstehen
will, der muss sich ganz klein machen und in den Stall kommen. Ob Hirte
oder König. In einem kleinen Kind schenkt uns Gott einen neuen Anfang.
„Wir können Weihnachten feiern!“, rief er ganz laut und fröhlich durch
den Schlosshof und tanzte vor Freude. „Richtet den großen Festsaal! Alle
dürfen kommen!“
Vor dem Mahl sah man den König immer wieder, wie er auf ein Blatt Papier
ein paar Notizen kritzelte und lächelte. Aber er verriet niemand, was er
da aufschrieb.
Einen Ehrenplatz am Festtisch bekam die Köchin. Ohne sie hätte Adventus
die Geschichte niemals gefunden. Daneben saßen Maria, die Magd und Josef
der Laufbursche. Und dort, wo sonst der König saß, durfte jetzt die
junge Familie Platz nehmen. Die Mutter mit dem Kind und der Vater.
Nachdem das Mahl beendet und der Weihnachts-Schafs-Käse-Kuchen verspeist
war, stand Adventus auf. Er schaute auf seinen Zettel und verkündete
feierlich: „Ich möchte euch heute die Weihnachtsgeschichte erzählen, die
richtige Weihnachtsgeschichte. Mir ist alles wieder eingefallen:
„In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des
Reiches in Steuerlisten einzutragen. .... „ (Lk 2)